Schon zur Halbzeit war sich die Trainerin der SFN Vechta, Aufsteiger aus der Oberliga und da noch siegloser Tabellenletzter, Birgit Deeben sicher: „Wir führen zwar fast immer zur Halbzeit und verlieren noch, aber heute bin ich mir sicher, heute gewinnen wir hier.“ Und etwas mehr als eine halbe Stunde später war der Jubel dann riesig: Der SFN Vechta hatte sein erstes Spiel in der 3.Liga gewonnen, das noch auf dem Feld aufgenommene Jubelbild hatte schnell deutlich über 300 Likes und knapp 40 Glückwunsch-Kommentare bei Facebook. Ein gesamter Verein hatte auf diesen Tag gewartet.
Und ein anderer Verein, der Berliner TSC, ließ das eben zu. Der Berliner TSC verlor nach einer in den ersten 40 Minuten indiskutablen Leistung in am Ende noch knapp aber vollkommen verdient mit 27:29 (11:15) gegen die Niedersachsen.
„Was soll ich sagen, gewarnt haben wir vom Trainerteam alle genug, aber scheinbar haben wir doch nicht die richtigen Worte gefunden“, wunderte sich TSC-Trainer Carlo Gregarek noch lange nach Abpfiff.
Damit hat sich die Mannschaft nun endgültig vom selbsternannten Saisonziel von Platz 3 oder 4 verabschiedet und wird in den nächsten drei schweren Auswärtsspielen (Wismar, Buxtehude und Owschlag) zusehen müssen, nicht ganz unten in die Tabelle hineinzugeraten.
„Unsere eigenen technischen Fehler führten in der ersten Viertelstunde zu vier ganz leichten Kontergegentoren, folge-
richtig lagen wir eben hinten. Wenn man dann dazu nicht in das Spiel hineinfindet, dann liegt man zur Pause zurück“, meint Carlo Gregarek beim Blick auf die Spielstatistik.
Aber eine Pause ist ja auch dafür da, noch einmal aufzuwa-
chen und das Spiel an sich zu reißen. Aber auch das gelang nicht. Der Rückstand wuchs sogar weiter vom 11:15 zum Seitenwechsel auf 15:22 nach 45 Minuten an.
„Es ging einfach alles schief“, sagte nachher Stephanie Roscher. Bei diesem klaren Rückstand nahm der Trainer gerne die gelbe Karte in Kauf: „Irgendwie wollte ich die Mannschaft aufwecken! “ Und plötzlich funktionierte es tatsächlich. Tor um Tor holte der Berliner TSC auf. Der SFN wird argumentieren, dass Ihnen die Kraft langsam ausging, trotzdem gelangen den Berlinerinnen plötzlich einfache Dinge, die vorher unmöglich waren. „Leider fehlten am Ende vielleicht ein oder zwei Minuten, um doch noch die Wende zu schaffen, aber dann hätten wir auch richtig Glück haben müssen.“
Sarah Großmann, die wieder drei Tore von außen warf, war nach dem Spiel ein wenig erstaunt: „So wie Vechta heute gespielt hat, kann man nur schwer glauben, dass die Mann-
schaft Letzter ist. Sie warfen gut aus dem Rückraum. Aber wir haben es ihnen auch viel zu leicht gemacht, in unserer Abwehr viel zu große Lücken gelassen. Jeder war auf sich alleine gestellt“, stellte sie selbstkritisch fest.
Anja Scheidemann fehlten erst einmal die Worte. Später meinte sie dann aber, dass „20 Minuten Leistung eben nicht reichen in dieser Liga. Auch gegen einen Tabellenletzten nicht. Wir waren konzeptlos im Angriff, hatten viele Einzelaktionen, unser Zusammenspiel der Positionen konnte man überhaupt nicht erkennen“, analysierte Anja das Spiel, die dabei nicht nur 6 Tore warf, sondern sich auch in den Dienst der Mannschaft stellte und früher als gedacht aus ihrer Verletzungspause kam.
Wenn schon nicht über zwei Punkte, freute sich der Berliner TSC, dass viele ehemalige Spielerinnen, Weltmeisterinnen, Europacupsiegerinnen, DDR-Meisterinnen, – Pokalsiegerinnen als Zuschauer dabei waren. „Das war wirklich schön und eine große Ehre. Schade, dass wir uns nicht mit einem Sieg dafür bedanken konnten“, freute sich Carlo Gregarek.
Abschließendes Fazit des TSC-Trainers zum Spiel gegen Vechta:
„Leider wurde ich mit meiner Vorahnung bestätigt. Vechta spielt besser als der Tabellenstand es aussagt. Wieder einmal zeigten wir keine Konstanz im Spiel! Dass es die Mannschaft kann, haben wir in der letzten Viertelstunde gezeigt. Doch 15 Minuten Handball spielen reichen in der Liga einfach nicht aus! Jetzt geht es zum Tabellenführer (nach Minuspunkten) Wismar, bei dem wir völlig befreit aufspielen können! Danach kommt endlich unser erstes freies Wochenende seit Anfang September, in der sich verletzte Spielerinnen regenerieren und manch andere mal ihren Kopf frei bekommen kann!“
Am kommenden Wochenende geht es nun nach Wismar. Die TSG spielt ein überragende Saison, ist noch ungeschlagen und nach Minuspunkten Tabellenführer. In der Vorbereitung traf man schon aufeinander, da sahen sich beide Trainer auf Augenhöhe. Das war damals die Theorie, die Praxis sieht aktuell leider anders aus.